Mittwoch, 29. Oktober 2014

Burning Betze




Ich hatte mir fest vorgenommen, nach und nach alle Grounds abzuarbeiten, an denen ich noch nie gewesen bin. Das lag zum Teil an ihrer Entfernung, aber auch daran, dass es manchmal nahezu unmöglich war, sie -dem Spielplan und den daraus resultierenden Anstosszeiten geschuldet- pünktlich zu erreichen. Die Crux der Zweiten Bundesliga. Wir lebten unter anderem mit freitagabends, halb sieben oder montagabends, viertel nach acht, was an solchen Tagen voraussetzt, dass man das Glück haben muss, seine Arbeitszeit entsprechend einteilen zu können oder aber in der Lage ist, für ein Auswärtsspiel ein bis zwei Tage Urlaub einzureichen.

Das Spiel gegen den 1. FC Kaiserlautern war erfreulicherweise an einem Samstagmittag um 13 Uhr angesetzt worden, so musste ich lediglich früh genug aufstehen, um die gut drei Stunden Anfahrtszeit zu bewältigen. Mein Navi sagte: Wenn Sie hinne machen, nicht tanken und sich keine Staus ergeben, dann schaffen Sie das so ungefähr bis kurz vor knapp. Naja, so sinngemäß.

Ich machte mich also gut gelaunt auf den Weg, gespannt und in freudiger Erwartung, denn ich fuhr zum ersten Mal auf den legendären Betze (mein Dank gilt an dieser Stelle dem @_maxxo_ ,der mir bei der korrekten Bezeichnung der Spielstätte geholfen hat), eben jenen Betzenberg, der dafür bekannt und berühmt war, dass er gerne und oft brennt und bebt.

Mein Verein meinte es gut mit mir in diesen Tagen, wir befanden uns seit Jahren zum ersten Mal auf einem direkten Aufstiegsplatz in Liga Zwo (das war noch nicht mal in unserer Aufstiegssaison der Fall), nur die Ingolstädter Schanzer, die einen bisher beeindruckend erfolgreichen Lauf hingelegt hatten, beanspruchten derzeit den Platz des Tabellenersten. Die Lauterer und wir knubbelten uns in den dahinter liegenden Rängen, entsprechend wichtig war dieses Spiel ergebnisorientiert einzuordnen, denn keiner wollte den Anschluss nach oben verlieren und ihn bestenfalls um 3 Punkte und möglichst mindestens eine Position verbessern.

Den uns Gästen empfohlenen Parkplatz in Kaiserslautern Ost erreichte ich rechtzeitig, stellte den Wagen ab und nahm Kurs auf die bereitstehenden Pendelbusse, die uns zum Stadion bringen sollten. Um mich herum grölten und sangen vorgeglühte Fortunen, denn man hatte uns die Info zukommen lassen, dass es am Betze keinen Alkausschank geben würde. Entsprechend musste im Voraus getankt werden, offenbar reichlich, wie der lautstarken Sangeskunst zu entnehmen war. Man feierte sich selbst, seine Heimat und seinen Verein ab, bekundete, dass man nicht zu schlagen sei und strapazierte damit vermutlich die Nerven der ebenfalls im Bus mitfahrenden Lauterer Fans, die das aber mit bewundernswert stoischer Gelassenheit hinnahmen, die allenfalls unmerklich die Köpfe schüttelten und sich vielleicht dachten: Tse, die durchgeknallten Düsseldorfer. Lasse mal machen.

Von einer Fantrennung bei der Anfahrt wurde abgesehen, was ich persönlich schön fand. Schnappte mit dem einen Ohr pfälzische Gesprächsfetzen auf, mit dem anderen rheinische. Und genoss, dass es auch friedlich geht, trotz allem Argwohns gegenüber des kritisch beäugten Gegners.

Nach der gesitteten und professionellen Einlasskontrolle, wie ich sie auch von zuhause kannte, und nachdem mir eine ausgesprochen freundliche Ordnerin ein gutes Spiel und viel Spaß gewünscht hatte, was ich so von zuhause eher nicht gewohnt war, fand ich meinen Platz im Block und nahm den Betze in mich auf. Mir gegenüber, auf der anderen Torseite, sah ich eine Wand, die mich, abgesehen von den Farben, in ihrer Baubeschaffenheit an das Dortmunder Westfalenstadion erinnerte. Eng, dicht besiedelt und sehr steil. Wer dort im Oberrang seinen DK Platz hatte, dem galt mal vorab mein Respekt, denn wenn derjenige seinen Platz in der höchsten Reihe des Oberrangs erreicht hatte, der dürfte nach Absolvierung all der Treppen, die dort hinführten, sein Bestes gegeben haben.

Nach dem Anpfiff sah ich gar nicht so viel vom Spiel. Das lag an einem besonderen Umstand. Direkt neben meinem Block hatten unsere Ultras ihren Platz gefunden. Teile ihrer kamen aber tatsächlich gesammelt einige wenige Minuten zu spät, was sehr ungewöhnlich war. Sie fanden dann offenbar keinen Zugang mehr in ihren Steh-/Eckblock, weswegen sie sie dann in meinem angrenzenden Block Zuflucht suchten. Sie strömten über die schmale Treppe hinein, trugen ihre Fahnen und Trommeln bei sich, die sie dann adäquat und so gut es eben ging verteilten. Nestelten an ihrer Blockfahne, die sie, die Standfestigkeit des metallenen Trennzauns zuvor überprüfend, an selbigem mit akribischer Ordnung befestigten. Ein Trommler kletterte auf den Zaun, justierte sein taktgebendes Gerät mehrfach, die Position immer wieder korrigierend, an eben jenem und schlug voller Hingabe auf sein Instrument ein, die Augen streng und mit konzentrierter Inbrunst darauf gerichtet.

Er und auch ich befanden uns in einem rot-weißen Fahnenmeer. Ich kannte all diese Fahnen von zuhause. Sah sie immer präsent neben mir, denn mein Blockplatz zuhause grenzt ebenfalls direkt an den der Ultras. Aber es war doch etwas ganz anderes, unverhofft mittendrin zu stehen.

Man mag monieren, dass man tatsächlich nur noch die Hälfte sah, ob all der beflaggten Bekundungen. Fahnen, mehrere Meter groß, an langen Stangen, vermutlich sauschwer, so sehr, dass sich die Schwenker immer wieder abwechseln mussten, um sie zu stemmen. Eine zeigte ein rotweißes Schachbrettmuster, das unseren Ärmeln des aktuellen Saisontrikots entsprach, welche das Gros der geneigten Fanschar ausnehmend hässlich fand, ich hingegen mochte es gerade deswegen und fand mich daher gut aufgehoben. Beobachtete währenddessen einige Wenige, die ihrerseits den Zaun erklettern und eingeschmuggelte Pyrostangen zündeten.

Ich stand inmitten all des Rauchs und musste lachen. Auch wenn man das zu Recht total scheiße finden konnte und uns der herrlich angenehme, unaufgeregte Lauterer Stadionsprecher darauf aufmerksam machte, dass man derlei Aktionen auf Gästeseite doch bitte unterlassen möge. Ich persönlich bin ein bekennender Sympathisant der Pyrotechnik, wenn sie denn Dritte ungefährdend abgefackelt wird.

Der Bezte brannte. Nicht nur ob unseres Tors mittels unseres eingewechselten Icemans PalimPalim, der unser Spiel belebte, das bis dahin unsererseits eher dahin dümpelte, da offensive Bemühungen bereits zuhauf im Mittelfeld versandeten, Fehlpässe in selbigem versagten und Offensivaktionen nahezu ausblieben, hierbei sei erwähnt, dass man auch mit drei(!) mickrigen Torschüssen effektiv sein kann. Wir sind Fortuna, wir können eben alles.

Back to Betze, er sang mit Insbrunst und gab alles. Schön! Das gefiel mir sehr, die Lauterer waren ausgesprochen stimmstark und explodierten zu Recht beim späten Ausgleichstor in der gefühlt 94.ten Minute. Das fiel durchaus legitim, hatten sie doch über weite Strecken spielbestimmend alles gegeben.

Zum Abfiff nahm ich den Punkt dankend an, war zufrieden und ligamäßig guter Dinge, hielten wir doch trotz durchwachsener Leistung noch immer den zweiten Platz, den uns an zumindest diesem Spieltag niemand mehr streitig machen würde können. Hoffte, den Ground ebenso gedankenfroh verlassen zu können, wie ich gekommen war. Ein massiver Polizeigürtel hinderte uns leider daran, vom Stadion zum Bussteig zu gelangen. Mir erschloss sich nicht, woran das lag, denn trotz friedlicher Stimmung, auch hier standen wir wieder zu Hunderten Seite an Seite mit Heimfans, gab es keinerlei Aggressionen oder Ausschreitungen. Schlussendlich durften wir dann irgendwann passieren und trollten uns gemeinsam des Weges. Warteten weitere Ewigkeiten auf Busse, die man gerne hätte häufiger hätte anfahren lassen dürfen, denn Tausende müssen ja nun irgendwie transportiert werden, wenn man das nun so geplant hatte.

Zurück in meinem Auto resümierte ich einen schönen Spieltag in einem ehrwürdigen Stadion. Freute mich ob des Dabeigewesenseins und des womöglichen Wiedersehens. Blickte nach vorne, die Schanzer vor der Brust. Ein wichtiges Heimspiel stand an und ich würde da sein, um unsere Jungs so laut wie möglich unterstützen. So wie wir es eben immer taten und tun würden.





Fortuna Düsseldorf. Meine Liebe, mein Verein.

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